Wie kommt die Landwirtschaft aus ihrer derzeit so schwierigen politischen Situation? Im Interview mit agrarheute spricht AGCO-Chef Prof. Martin Richenhagen über die Stärken und Schwächen der Bauern. Außerdem geht es um Digitalisierung. Warum ist AGCO hier erfolgreich und welche Strategie verfolgt der Landmaschinen-Hersteller? Das Interview führte agrarheute-Chefredakteur Simon Michel-Berger.
Simon Michel-Berger: Sie waren in der Vergangenheit sehr kritisch gegenüber Frau Klöckner. Die „Bauernmilliarde“ haben Sie als „ganz billigen Trick der Weinkönigin“ bezeichnet. Wie sehen Sie sie aktuell?
Martin Richenhagen: Jeder hat seine Chance verdient. Aber wenn die CSU sagt, dass das Agrarressort besser bei ihr aufgehoben wäre, dann teile ich diese Meinung. In Bayern ist man noch nah an der Landwirtschaft, auch in den Städten.
Wie hoch schätzen Sie die Volatilität auf den Agrarmärkten im Vergleich zu früher ein?
Richenhagen: Die Volatilität ist viel schlimmer geworden. In der Planung für 2020 gehen wir davon aus, dass nichts Positives passiert. Mit der Unterzeichnung des Teilweisen Handelsabkommens mit China im Januar hoffe ich aber auf eine Verbesserung auf den Märkten.
Wie schätzen sie die Volatilität in Deutschland ein, besonders in der Agrarpolitik?
Richenhagen: Hierzulande haben wir das Problem, dass der Dialog zwischen Verbrauchern, Wirtschaft und Landwirten extrem von der Politik moderiert werden muss. Diese Herausforderung hat die Bundeslandwirtschaftsministerin erkannt – vielleicht etwas spät – aber hier gibt es noch sehr viel zu tun.
Wie müsste es in diesem Dialog jetzt weitergehen? Die Stimmung ist ja gerade bei den Landwirten sehr aufgeheizt.
Richenhagen: Zuerst muss man genau erkennen, was die Verbraucher wollen. Nicht nur heute, sondern auch in Zukunft. Dann muss man überlegen, was technisch machbar ist und was die Landwirte leisten können. Dann muss man Rahmenbedingungen schaffen, die das über einen konkreten Zeithorizont vernünftig abbilden. Den Landwirten zu sagen, ab morgen kann keine Gülle mehr ausgebracht werden, wird nicht funktionieren.
Was halten Sie von den Protesten von „Land schafft Verbindung“?
Richenhagen: Es ist gut, dass die Bauern so klar Position beziehen. Ihre Botschaft ist angekommen und ich habe das Gefühl, dass auch Frau Klöckner das verstanden hat.
Die deutschen Landwirte sind zutiefst verunsichert und fühlen sich als „Buhmann der Nation“. Was raten Sie ihnen in der jetzigen Situation?
Richenhagen: Die Bauern müssen sich öffnen. Manche Dinge in der Landwirtschaft kann man nicht mehr vertreten. Die Leute wollen heute kein Fleisch von nicht betäubten kastrierten Schweinen mehr, da kann man sich auf den Kopf stellen. Das muss man einfach auch mal akzeptieren und sich überlegen, wie man das in Zukunft anders hinbekommt. Die Massentierhaltung muss dringend modernisiert werden. An mehr Tierwohl kommt man nicht mehr vorbei.
Welche Rolle spielen hier die Bauernverbände?
Richenhagen: Die Bauernverbände haben es nicht geschafft, die Landwirtschaft in der Öffentlichkeit positiv darzustellen. Sie haben sich bemüht und auch Geld eingesammelt, es aber letztlich nicht besonders gut gemacht. Man muss heutzutage moderne PR für sich machen, das macht jedes Unternehmen, warum nicht die Bauern?
Also sollten die Bauern auch einmal sagen „Auf das Schwänzekupieren können wir verzichten, diese Rahmenbedingungen brauchen wir dafür.“
Richenhagen: Ganz genau. Die Bauern dürfen nicht immer sagen, was nicht geht. Sie sollten offensiv zeigen, was geht und was sie auf ihren Betrieben machen.
Wenn Sie keinen Weltkonzern führen würden, sondern einen kleinen Agrarbetrieb in Bayern. Was würden Sie machen?
Richenhagen: Ich würde mir wahrscheinlich eine Nische suchen. Ich würde gerne etwas mit moderner Tierhaltung machen und Produkte anbieten, welche die Leute fair bezahlen: „Richenhagens glückliches Schnitzel, direkt vom Hof“.
Hätten Sie dann Angst vor dem Mercosur-Abkommen?
Richenhagen: Nein, sicher nicht. Die Produktqualität ist in Europa eine ganz andere, die Waren aus Südamerika sind auf einen anderen Geschmack hin ausgerichtet. Ich glaube nicht, dass der deutsche Agrarmarkt von billigen Produkten überschwemmt werden wird.
Was würde Ihren hypothetischen kleinen Betrieb besonders auszeichnen?
Richenhagen: Optimistisch in die Zukunft zu schauen und die Dinge anzupacken, ohne zu viel darüber zu reden. Das war schon immer die große Stärke aller Bauern.
Auch AGCO setzt stark auf Digitalisierung. So richtig angenommen wird die Digitalisierung von vielen Landwirten aber noch nicht. Wie laufen bei Ihnen die Geschäftsmodelle rund um die Digitalisierung?
Richenhagen: Wir tun uns hier nicht schwer, weil wir einen bodenständigen Ansatz haben. Es gibt den Hype um die Digitalisierung, aber wir bieten nur Produkte an, die messbare Vorteile bringen. Wer das macht, hat keine Probleme mit der Digitalisierung. Was wir feststellen, ist, dass die junge Generation stärker an digitalen Lösungen interessiert ist als manche älteren Semester.
John Deere will sein Händlernetz in Deutschland deutlich umbauen, weniger Händler aber mehr Filialen. Sie setzen auf „smart distribution“. Brauchen Sie dann noch so viele Händler?
Richenhagen: Unser Händlernetz in Deutschland und Europa ist perfekt aufgestellt, da gibt es keinen großen Veränderungsbedarf. Wir haben ein paar Märkte, in denen wir neue Händler dazu nehmen – besonders bei Fendt in Nord- und Südamerika. Wir wollen hier ein exklusives Händlernetz haben.
Sie haben angesprochen, dass Sie mit Fendt in neue Märkte gehen wollen, vor allem in Amerika. Wie sind hier Ihre Erfahrungen?
Richenhagen: Sehr gut, wir hätten noch mehr verkaufen können, als wir eigentlich produzieren konnten.
Ändert sich durch die globale Expansion von Fendt auch etwas für die Landwirte hierzulande?
Richenhagen: Die Produkte bleiben so, wie sie in Marktoberdorf entwickelt werden. Vorstellen könnte ich mir, dass künftig der eine oder andere gebrauchte Schlepper mehr, den Weg über den Atlantik findet.
Seit 2017 will AGCO organisch wachsen und gleichzeitig Kosten sparen. Was heißt das konkret?
Richenhagen: Unser oberstes Ziel ist die Verbesserung der Umsatzrendite. Wir können dabei nur organisch wachsen, weil in unserer Branche für Übernahmen kaum noch Platz ist. Wir setzen auf neue Produkte und neue Märkte und versuchen gleichzeitig, so kosteneffizient wie möglich zu produzieren.
Für 2019 rechnet AGCO mit Umsatzerlösen, die immer noch unter denen von 2013 liegen. Ist ihre Strategie angesichts dieser Entwicklung erfolgreich?
Richenhagen: Das Ergebnis liegt nicht an der Strategie, sondern an den Märkten. Unser Geschäft leidet weltweit aus verschiedenen Gründen: In Brasilien fehlt das Vertrauen bei der neuen Regierung, in Großbritannien haben wir den Brexit, in den USA die Problematik, dass die Chinesen kein Getreide mehr kaufen. Unser Marktanteil steigt, aber der Umsatz stagniert. Es ist vielmehr so, dass wir durch unsere Strategie einen großartigen Börsenkurs erreichen konnten. Die Leute merken: AGCO liefert, auch wenn der Markt rückläufig ist.
Quelle: Simon Michel-Berger für agrarheute
Uwe
(cattle)